Nein, es geht nicht um Fehlgeburten oder Sternenkinder. Und um gleich zu Beginn allen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen – es soll das Leid der verwaisten Eltern keinesfalls herabgewürdigt werden.
Es geht eigentlich um das aktive Beenden der Familienplanung.
Die meisten Paare wünschen sich Kinder. Vielen gelingt dies recht schnell, nach dem Sohn folgt eine Tochter – dann ist das Thema durch, soll es doch den Beiden an nichts fehlen.
In den letzten Jahren entwickelte sich – zumindest in besser gestellten Mittelstandsfamilien ein Trend zum Drittkind.
„Luxusbaby“.
Alles darüber hinaus wäre dann eine fast schon zu große Großfamilie und der Luxus somit verspielt. In den Augen der Gesellschaft.
Wenn Frau grob geschätzt mit Anfang 40 ihr Nachzügler-Luxus-Baby einschult und Mann die Familie endlich wieder in ruhigere Gewässer schifft, entsteht womöglich ein neuer Familienkonflikt. Zumindest bei den Frauen, die gern Mutter sind und den Männern, die mit ihrer Leistung zufrieden sind.
In ihren Zwanzigern hat die Frau Karriere und Familie mit viel Aufwand unter einen Hut gekriegt, war für die erstgeborenen Kinder mehr Rabenmutter als Glucke und konnte dann beim Luxusbaby bedingt einiges wieder gut machen. Spätestens mit dem Kita-Abschluss des Nachzüglers stellt sich die Frage, ob es das jetzt schon gewesen sein soll. Der aktive Abschluss der Familienplanung kommt fast zeitglich mit dem sanften Hinübergleiten zur verminderten Fruchtbarkeit. Das Wort „Wechseljahre“ ist hier zu krass, liegt doch noch ein gutes Jahrzehnt vor der eigentlichen Menopause.
Kann man also einfach so sagen, dass man keine weiteren Kinder mehr möchte? Eins oder zwei wären zeitlich locker noch drin – und die Anzahl der Mütter über 40 nimmt immer mehr zu. Somit entfällt der Exotenstatus.
Welches Potential steckte in diesem ungeborenen Kind? Ähnelte es Mutter oder Vater? Welches Geschlecht hätte es? Was könnten wir als Familie von ihm lernen?
Jeder Mensch erschafft Wertvolles und Bereicherndes.
Fehlt dies nun auf der Welt, wenn es genau dieses Kind nicht geben darf – weil man schon so alt ist, weil es nicht vernünftig ist, weil irgendetwas passieren könnte, weil es so wie es jetzt ist, doch gut ist, weil man doch lieber Zeit und Geld in die schon vorhandenen Kinder investieren sollte, weil es doch nur eine fixe Idee ist, hinter der doch sicher ein anderes Begehr steckt, weil die Leute reden könnten, weil man im Job so viel aufgeben würde, weil man dann auf perfekte Urlaube verzichten müsste, weil die Figur endgültig ruiniert würde und weil man dann wieder nachts ständig aufstehen müsste.
Es spricht – brüllt besser gesagt – alles gegen das Mittvierziger Luxus-Luxus-Baby. Keinesfalls darf man in der Mitte des Lebens die falsche Abzweigung nehmen.
Was passiert andererseits, wenn das vorzeitige Beenden der Familienplanung bereits die falsche Abzweigung ist, in welche man sehenden Auges und halbherzig ambivalent einbiegt?
Können uns die ungeborenen Kinder dann verfolgen? Werden wir wehmütig zurück denken, was aus ihnen geworden wäre, hätten sie doch nur den Hauch einer Chance gehabt?
Oder stellt das Vorhandensein derartiger Gedanken schon eine Diagnose – womöglich mit Behandlungsbedürftigkeit – dar?
Es scheint Wege im Leben zu geben, deren Gabelungen immer in die Irre führen…